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Autor: Susanne Kilimann
Unsere Autorin: Susanne Kilimann

Autoklassiker  Autoklassiker: 75 Jahre Autoradio

Radio Days



Vor 75 Jahren begann in Europa die Ära der Autoradios. Als erstes Modell kam damals Blaupunkts »Autosuper 5« auf die Straße - eine voluminöse Luxus-Kiste in Kleinserie zu einem unerhörten Preis.

 
 75 Jahre Autoradio
   
 75 Jahre Autoradio - Foto: Hersteller  75 Jahre Autoradio - Foto: Hersteller  75 Jahre Autoradio - Foto: Hersteller  75 Jahre Autoradio - Foto: Hersteller  75 Jahre Autoradio - Foto: Hersteller  75 Jahre Autoradio - Foto: Hersteller

Der Motor dröhnt, die Karosse rattert über Stock und Stein und der Fahrtwind pfeift ins Ohr - so etwa muss sie geklungen haben, die "Begleitmusik" der frühen Automobilisten. Der Informationsbedarf hinterm Volant ist im Grunde gering. Staus müssen erst noch erfunden werden, für Wetterprognosen sind die alten Bauernregeln da. Und aktuelle Nachrichten entnimmt man dem Wochenblatt.

Doch dann bricht ein neues mediales Zeitalter an. Zunächst in der Fortschrittswiege USA. Dort nimmt 1920 die erste kommerzielle Radiostation den regelmäßigen Sendebetrieb auf. Und kurze Zeit später werden die ersten Autos mit mobilem Rundfunkempfänger vorgestellt. Als erstes Auto überhaupt ist 1922 in Chicago ein Ford T-Modell mit transportfähigem Radiogerät an Bord zu bestaunen.

Im selben Jahr wird auf der "Olympia Motor Show" in London ein Daimler mit Radioempfänger ausgestellt. Schon bald fertigen Radiopioniere in den USA mobile Geräte in Kleinserien an. "Radio Auto Distributors" bringt das Modell "Airtone 3D", die "All American Mohawk Corp." den "Batt. 115-1926". Als erster Automobilhersteller erkennt Chevrolet die Zeichen der Zeit und bietet Radiogeräte der Firma "Philadelphia Storage Battery Company" als Zubehör für seine Fahrzeuge an.

Ein paar Jahre später ziehen die Europäer nach. Man schreibt das Jahr 1932, als die "Radiotelefon Apparatefabrik Ideal AG" (die sich später "Blaupunkt" nennen wird) auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin ihr erstes serienreifes Autoradiomodell präsentiert - den "Autosuper 5".

AS 5, so das offizielle Kürzel, ist ein voluminöser schwarzer Kasten, mit fünf Röhren und eingebautem Lautsprecher, der Nachrichten und Orchesterklänge mittels Lang- und Mittelwellen in die Fahrgastzelle holt. Das Publikum ist begeistert. Allerdings sind es nur wenige im Land, die sich so ein modernes - und teures - Ding leisten könnten. Für den unterhaltsamen Luxusartikel wird ein unerhörter Preis verlangt - 465 Reichsmark. Das ist ein Drittel dessen, was ein funkelnagelneue Kleinwagen kostet.

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Mondäner Lifestyle
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Entsprechend sieht die Werbung für die frühen Autoradios aus. Die "Apparatefabrik" nimmt mit ihren aufwendig gestalteten Farbprospekten nur die oberen Zehntausend ins Visier. Mit flotten Zeichnungen wird mondäner Lifestyle präsentiert. Elegante Coupés und Cabriolets mit nicht enden wollenden Motorhauben lässt die Werbung durch futuristischen Wolkenkratzerschluchten gleiten. Am Lenkrad der feine Herrn, an seiner Seite ein weibliches Luxusgeschöpf. Mit an Bord der "Autosuper 5". Elitärer geht es nicht. Rund 400 Exemplare verkauft die "Apparatefabrik" von der ihrer ersten Autoradiogeneration.

Während des Zweiten Weltkrieges tüfteln die Radio-Hersteller weiter. Auch das Militär hat größtes Interesse am mobilen Nachrichtenempfang. 1949 gelingt es, das Radioempfangsteil im Armaturenbrett unterzubringen. Ein Meilenstein in der Geschichte des Autoradios. Und als in den Wirtschaftswunderjahren das Auto allmählich zum Massenprodukt wird, halten verschiedene Hersteller - Blaupunkt, Telefunken, Siemens und Philips - bereits zahlreiche Produkte fürs Autofahrer-Entertainment bereit.

Eine technische Neuheit jagt fortan die nächste: 1951 präsentiert Blaupunkt das erste Radio mit UKW-Empfang. 1953 stellt die Firma Becker ihr Gerät "Mexico" vor - ein Autoradio mit automatischem Sendersuchlauf. 1957 ist die Zeit des Röhrenempfängers vorbei. Blaupunkts Transistorradios übernehmen den Markt. Die Werbung stellt sich auf eine ganz neue Käuferschicht ein. Denn jetzt gilt es, ein Produkt für Normalverdiener an den Mann zu bringen. Werbestrategen preisen den "liebsten Autokameraden" - ganz so, als wäre das Gerät ein Mitglied der Familie.

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Stereo und Geisterfahrer
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Neue Möglichkeiten des automobilen Musikgenusses eröffnen sich, als Philips 1968 ein Autoradio mit Kassettenspieler auf den Markt bringt. Ein Jahr später triumphieren Becker und Blaupunkt mit den ersten Stereoradios fürs Auto.

Der Verkehr auf bundesdeutschen Straßen wird dichter und dichter. Aktuelle Stau- und Störungsmeldungen werden immer wichtiger: 1974 bietet Blaupunkt das erste Autoradio mit ARI- Kennung an. ARI, das Autofahrer-Rundfunk-Informationssystem, hatte der Herstellern der nach dem Krieg von Berlin ins niedersächsische Hildesheim gezogen war, gemeinsam mit den ARD-Sendeanstalten entwickelt. ARI-Geräte suchen die Frequenzen nach Sendern ab, die Verkehrsnachrichten ausstrahlen. Sie erkennen aktuelle Verkehrsnachrichten und unterbrechen das laufende Programm für Durchsagen zu Staus, Umleitungen, Ampelausfällen und - ganz wichtig - Geisterfahrern.

Anfang der 1980er verabschieden sich die Kassettenrekorder. Autoradios sind auf der Höhe ihrer Zeit, wenn sie stattdessen mit einen CD-Player ausgestattet sind. Ende der Achtziger kommen Geräte mit RDS (Radiodatensystem) auf den Markt. Digitaler Empfang bereitet nervigen Senderüberlagerungen ein Ende. Klartext zeigt auf Displays die Namen der Radiostationen an. Und wenn das Auto den Empfangsbereich verlässt, sucht das Gerät automatisch nach einer neuen Frequenz.

Längst haben die Hersteller ARI abgeschrieben und komplett durch RDS-Technik ersetzt. Navigationsgeräte, Mobiltelefone, Internet, mp3 und Bluetooth-Technik haben auch im Auto Einzug gehalten. Aus dem "liebsten Autokameraden" ist ein mobiles High-tech Kommunikationszentrum geworden. Und man darf gespannt sein, wie die Auto-Radio-Story weitergeht.

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