Mercedes-Benz vertraut nur sich selbst. Zumindest, was die Automatikgetriebe angeht. Während sich die Premium-Konkurrenz aus München und Ingolstadt vertrauensvoll in die Arme von Zulieferern wie ZF Friedrichshafen mit deren guten Achtgangautomatik fallen lässt, entwickeln die Schwaben munter weiter an ihren Selbstschaltern.
Auf den ersten Blick ein teurer und ineffizienter Spaß? Mercedes-Benz sieht das anders: "Um unserem technologischen und wirtschaftlichen Anspruch gerecht zu werden, war es für uns der einzige Weg, dass neue Neungang-Getriebe selbst zu entwickeln und zu produzieren", erklärt der Entwicklungsleiter der Automatik, Stefan Fuchss.
Die Logik dahinter ist aus Mercedes-Sicht eingängig: Bei anderen Automatikgetrieben, die eine Vielzahl von Modellen abdecken müssen, kostet jede Applikation, jede Anpassung an eine Modellreihe zusätzlich Geld. Da Mercedes genau weiß, welche Modellreihen und welche Motoren mit der Automatik kombiniert werden, kann man da viel Geld einsparen und das Getriebe besser planen. Quasi einen Maßanzug anfertigen, anstatt ihn von der Stange zu kaufen. Deswegen ist zum Beispiel die Steuerelektronik voll in die Automatik integriert, was schnellere Schaltvorgänge garantiert.
Das erklärt auch einige der Unterschiede, des Mercedes-Benz-Getriebes zur ZF-Neungang-Automatik, die demnächst erscheint und für Autos mit Front-Quer-Antrieb konzipiert ist.
Grundsätzlich sind zwei Systeme vorgesehen. Das 9HP28 hat eine Baulänge von 363 mm, wiegt rund 78 kg und ist ausgelegt für eine Leistung bis 128 kW und ein Drehmoment bis 280 Nm. Die zweite Version ist das 9HP48 (Baulänge 367 mm, Gewicht 86 kg, Leistung bis 185 kW und 480 Nm). Damit ist die Automatik für Frontantriebs-Plattformen geeignet, die mehr als zwei Drittel aller weltweit gefertigten PKWs ausmachen. Das Getriebe verkraftet maximal 250 PS und ein Top-Drehmoment von 480 Newtonmetern - passend für Kompakt- und Mittelklasse.
Trotz zweier zusätzlicher Schaltstufen ist die neue Automatik genauso groß wie der Siebengang-Vorgänger
Also ist davon auszugehen, dass - genauso wie bei der Achtgangversion - die Automatik auch anderen Modellen und Marken zur Verfügung gestellt wird. Die Mercedes-Benz-Automatik dagegen ist für die konzerneigenen Modelle mit Hinterradantrieb entwickelt und verkraftet einen Drehmomentbandbreite bis zu 1.000 Newtonmetern.
Auch die Spreizung unterscheidet sich. Während ZF auf eine Spreizung von 9,84 setzt, sind es bei der Sternenmarke 9,15. Diesen Unterschied merken die meisten Autofahrer nicht. Was aber bei beiden Versionen deutlich geringer ist, ist das Drehzahl-Niveau: Im Vergleich zum Siebengang-Version reduziert sich die Drehzahl bei Mercedes-Benz-Variante bei 40 bis 100 km/h um etwa 300 U/min. Bei über 100km/h sind es schon 400 U/min. weniger. Fährt man im neunten Gang konstant 120 km/h verharrt der Drehzahlmesser bei etwa 1.350 U/min. Damit das keine zu ruppige Angelegenheit wird, haben die Mercedes-Benz ein Fliehkraftpendel installiert.
Trotz zweier zusätzlicher Schaltstufen ist die neue Automatik genauso groß wie der Siebengang-Vorgänger: Das Wandlergehäuse besteht aus Aluminium, das Getriebegehäuse mit der Kunststoffölwanne aus einer noch leichteren Magnesiumlegierung. Für die neun Gänge sind vier Planetenradsätze und sechs Schaltelemente verbaut.
Im Schnitt soll laut Mercedes-Benz die Verbrauchsreduktion 6,5 Prozent betragen. Zwei Prozent entfallen auf die Spreizung der Gänge, ein Prozent auf die optimierten Schaltelemente, 2,7 Prozent auf die neue Mechatronik - dazu gehört auch die die direkte Ansteuerung - und 0,8 Prozent machen die bessere Hydraulik und das bessere Schmiersystem aus.
Als erstes Auto kommt die E-Klasse 350 Bluetec mit 252 PS in den Genuß der Neungang Automatik. Die Verbrauchsreduzierung gegenüber dem rund 0,2 Liter, verringert sich also von 5,5 l/100 km auf 5,3 l/100 km. Vermutlich bekommt die neue S-Klasse in etwa zwei Jahren die neue Neungang-Automatik.
|