Der Weg zum BOmobil der Hochschule Bochum gleicht einer zeitgeschichtlichen Achterbahnfahrt. Vor dem Betreten des Hochschulbereiches in Mitten des Bochumer Opelwerkes muss jeder Besucher, dem amerikanischen Mutterschiff GM sei Dank, einen Werkssicherheits-Film über sich ergehen lassen. Auf Grund einer ständigen und vor allem ungewollten Komik verpufft dessen erzieherische Wirkung allerdings schnell.
Endlich auf dem Werksgelände angekommen, setzt sich die Zeitreise fort über unfreiwillig begrünte Wege, durch dunkle Flure und vorbei an seit Jahrzehnten nicht mehr gestrichenen Wänden hin zu einer entfernten Hallenecke, die sich durch einen mit Planen verhängten Gitterzaun-Sichtschutz von der grauen Teile-Masse der restlichen Halle abtrennt. Ein schweres, durch schlechte Erfahrungen in den Anfängen des Projektes notwendig gewordenes Schloss wird geöffnet und dann steht er da: Der Elektrokleintransporter mit dem Namen BOmobil.
Der vom Land NRW geförderte Pritschenwagen mit Platz für zwei Personen und eine Normgitterbox hat im Vergleich zu direkten Konkurrenzprojekten anderer, finanziell wesentlich besser aufgestellter Hochschulen einen gewaltigen Vorteil: Er fährt. Bis es zur Serienreife kommt, wird es laut Projektleiter Heinz Zöllner "noch ein bis zwei Jahre dauern. Das vorrangige Ziel war es, bis zur IAA Nutzfahrzeuge, sprich bis zum 12. September dieses Jahres, das BOmobil zum Fahren zu bekommen. Das hat mein Team geschafft und da bin ich, sind wir, richtig stolz drauf!"
Dass sich mit Stolz allein kein Geschäft machen lässt, weiß der zehn Jahre bei Toyota in der Formel 1 tätige Heinz Zöllner natürlich auch. Aus diesem Grund hat sich sein zu besten Zeiten 30 Hochschulabsolventen starkes Team einiges einfallen lassen. Angefangen von einem sogenannten Skateboard-Aufbau, der bei der Montage genietet und verklebt wird und eine einfache Produktion in einem manufaktur-ähnlichen Prozess ermöglicht. Bis hin zu einem, ähnlich einem Staubsaugerkabel, sich von selbst wiederaufrollenden Ladekabel - dem Erfindergeist des nicht nur in den letzten Tagen vor der IAA Überstunden kloppenden Teams scheinen keine Grenzen gesetzt.
Der durch zwei Radnabenmotoren in den beiden 19 Zoll großen Hinterrädern angetriebene, 1.200 Kilogramm schwere und 500 Kilogramm zuladenden Kleintransporter verfügt über 30 Kilowattstunden. Seine Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie ist luftgekühlt, wiegt 380 Kilogramm und ist nach knapp acht Stunden wieder voll aufgeladen. Das Fahrwerk basiert auf dem des Opel Zafira. Mit seiner Länge von 4,13 Meter, 1,85 Meter Breite und 1,65 Meter Höhe weicht er allerdings ein wenig von seinem Komponentenspender ab. Gleich geblieben sind Bremsanlage, Assistenzsysteme und Federbeine, die dem BOmobil zwar angepasst, jedoch zum aktuellen Zeitpunkt viel zu hart eingestellt sind. Da helfen auch Sitze mit dem Siegel Aktion Gesunder Rücken nicht mehr.
Müdes Lächeln
Elektroautos besitzen normalerweise neben den allgemeinen Umweltaspekten, wie einem völlig fehlenden lokalen CO2-Ausstoß, einer angenehm lautlosen Geräuschkulisse und einem futuristischen Design, noch die Vorteile eines stets anliegenden und vor allem starken Drehmoments. Das derzeit 450 Newtonmeter starke Drehmoment entlockt im Fahrbetrieb allerdings niemandem ein müdes Lächeln. Und auch die angepeilten 600 Newtonmeter werden kaum das erhoffte Autoscooter-Gefühl auf die Straße zaubern. Dafür lassen sich eine Reichweite von 150 Kilometern und eine Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometer pro Stunde ohne weiteres realisieren, was das BOmobil nicht zuletzt einem geschickten Thermomanagement zu verdanken hat.
Hinzu kommt, dass - anders als aktuelle Lieferwagen - die Bochumer Ingenieure ihr Hauptaugenmerk auf eine punktuelle Erwärmung des Innenraums gelegt haben. Ein ständig ein- und aussteigender Lieferant, der im Winter kaum Lust haben wird, ständig seine Jacke aus- und wieder anzuziehen, kann bei Bedarf die Sitz-, Lenkrad- und die Frontscheibenheizung einschalten, ohne gleichzeitig den ganzen Innenraum zu beheizen. Das sorgt für eine größere Batterie-Reichweite. Alle Einstellungen lassen sich bequem über ein in der Mittelkonsole verbautes Tablet bedienen, das zusätzlich sowohl über eine Internetverbindung als auch über eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung verfügt.
Der Weg in eine Zukunft mit lautlosen und abgasfreien Kleintransportern scheint geebnet. Schade nur, dass selbst Großunternehmen wie Samsung oder der Lampenhersteller Hella einen Igel in der Tasche zu haben scheinen - denn die meisten Bauteile mussten von der Hochschule selbst angeschafft und bezahlt werden.
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