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Reportage: 50 Jahre Autokino
Kintopp auf 4 Rädern
 50 Jahre Autokino

Mit Yul Brunner ging vor 50 Jahren Deutschlands erstes Autokino in Gravenbruch bei Frankfurt an den Start. Im Jubiläumsjahr freuen sich die Betreiber wieder über steigende Besucherzahlen.

Stoßstange an Stoßstange reihen sich die Autos vor dem kleinen gelben Kassenhäuschen in Frankfurt-Gravenbruch. Nach der flauen Winterzeit brechen für Autokinos jetzt, im Frühling, naturgemäß bessere Zeiten an. Doch dieses Mal fällt der Anstieg der Besucherzahlen besonders deutlich aus. "In Gravenbruch verzeichnen wir derzeit 30 bis 35 Prozent mehr Besucher, als an unseren anderen Standorten", sagt Wolfgang Holl, Leiter der "Drive In" Autokinos in Deutschland.

 50 Jahre Autokino - Foto: Kilimann

Etliche Medienberichte zum 50jährigen Jubiläum haben offenbar nicht nur dem Stammpublikum Lust gemacht auf Kintopp vor der Windschutzscheibe, auf ein Stück "American Way of Life" und auf die Nostalgie, die sich inzwischen mit dem Erlebnis Autokino verbindet.

Es war der 31. März 1960 als in Gravenbruch Deutschlands erstes Autokino und zugleich das Erste in Europa die Pforten öffnete. Was in Amerika und Südafrika erfolgreich läuft, sollte auch in Deutschland funktionieren, davon war damals der niederländische Unternehmer Hermann Franz Passage überzeugt. Ein brachliegendes Areal in Gravenbruch bei Frankfurt wurde sein "Testgelände". Der Standort war gut gewählt. Denn zum einen galt die Mainmetropole Anfang der Sechziger als autofreundlichste Stadt der jungen Bundesrepublik. Zum anderen war Hessen amerikanische Besatzungszone. Hier waren Tausende GIs stationiert, die sich nach einem Stück Heimat sehnten.

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Inbegriff amerikanischer Lebensart
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In den USA waren Autokinos damals schon seit Jahrzehnten Kult. Ein findiger Pionier namens Richard Milton Hollingshead hatte in Camden, New Jersey, 1933 das weltweit erste "Drive In Theatre" eröffnet. Das neue Freizeitvergnügen kam bestens an. Zu den Glanzzeiten der Autokino-Ära ließen über 4000 Spielstätten zwischen Amerikas Ost- und Westküste Hollywoodstreifen über gigantische Leinwände flimmern.

Die Jugend liebte das Kinospektakel unterm Sternenhimmel. Und das nicht nur, weil Westernhelden im Riesenformat agierten und dieser Freizeitspaß ein preiswertes Vergnügen war. In einer reichlich prüden Epoche bot das Autokino Rückzugsmöglichkeiten für Abenteuer, die für Unverheiratete in den gesellschaftlich kontrollierten Sphären verpönt oder verboten waren. Kuscheln, Knutschen und Fummelspielchen auf der Rückbank waren für viele Autokinofans der Fünfziger und Sechziger viel spannender als jeder Action-Film.

Der 31. März 1960 soll ein feuchter und nebeliger Tag in Gravenbruch gewesen sein. Trotzdem steuerten an jenem Abend über 100 Autos das neu eröffnete Autokino an. Üppig dimensionierte Ami-Schlitten reihten sich neben VW-Käfer, NSU Prinz und BMWs Isetta ein. "Der König und ich" mit Yul Brunner flimmerte über eine gigantische, 540 Quadratmeter große Leinwand.

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Kuscheln und Knutschen inbegriffen
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Damit war der Anfang gemacht. Schnell eroberte das Autokino auch in Deutschland ein breites Publikum. Familien kamen und brachten den Nachwuchs mit. Der konnte bei Bedarf auf der Rückbank schlafen – so sparte man den Babysitter. Und viele Liebespaare kamen. Sie steuerten auf dem großen Gelände, das für über 1000 Autos Platz bietet, bevorzugt die letzte Reihe an. Für einen Platz in der begehrten "Lovers Lane" wurde gern auch ein kleiner Aufpreis gezahlt.

Motorisierte Verkäufer fuhren durch die Autoreihen versorgten die Kinobesucher mit Snacks und Getränken. Popcorn und Burger gehörten von Anfang an zur Autokino-Kultur. Lange bevor in Deutschland die McDonald-Ära begann, war die deftige Rindfleischboulette in Gravenbruch bereits ein Verkaufsschlager. Zur Grundausstattung der Autokinobesucher gehörte in den ersten Jahrzehnten auch immer ein Lautsprecher, den mal mit in den Wagen nahm – jedenfalls dann, wenn man tatsächlich wegen des Films gekommen war. Seit Mitte der 1990er kann der Ton zum Film auch über das Autoradio empfangen werden.

Ein Heizlüfter für kuschelige Temperaturen wird an kühlen Abenden auch heute noch gern an Bord genommen. Die Drive-in Autokinos, fünf davon gibt es in Deutschland, bespielen ihre Bildwände ganzjährig. "Auch wenn im Winter manchmal nur ein paar Dutzend Wagen vor der Mega-Leinwand stehen", sagt Wolfgang Holl.

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Der Ton kommt aus dem Autoradio
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In den besten Zeiten wurden in Gravenbruch pro Jahr 500 000 Besucher gezählt. Seitdem Videorekorder und DVD-Player in deutschen Wohnzimmern stehen, gehen die Besucherzahlen drastisch zurück. Heute fahren übers Jahr noch rund 100 000 Kinobesucher vor die Gravensbrucher Riesen-Leinwand. Aber irgendwie lohnt das Geschäft immer noch. Ein Großteil des Umsatzes wird inzwischen in dem Schnellrestaurant erzielt, das die Kinogäste vor, nach und während der Vorstellung mit den Segnungen der Fast-Food-Welt versorgt. Und am Wochenende wird das Autokino zum großen Gebrauchtwagenmarkt.

Immer noch sind es vor allem die ganz jungen Leute, die sich den "Kampf der Titanen" und was Hollywood sonst so zu bieten hat im Autokino anschauen. "Vor allem Jungs, die gerade den Führerschein und das erste Auto haben, kommen mit ihren Freundinnen", sagt Holl. "Ab dreißig ist dann erst mal Schluss", weiß der Autokino-Leiter. "Dann kommen die Leute wieder, wenn sie fünfzig oder sechzig sind - um in Jugenderinnerungen zu schwelgen."

Nach wie vor werden im Autokino gern Heiratsanträge gemacht. Wer sich was in der Abgeschiedenheit der automobilen Karosse sagt, wissen die Kinomacher natürlich nicht. Viele lassen aber ihre Liebesbotschaft auf die Leinwand setzen – ein Service, den man im Restaurant "bestellen" kann. Und wenn dann plötzlich "Charlotte, willst du mich heiraten?" auf der Leinwand steht, stürmen auch schon mal mehrere Mädels gleichen Namens in die Snackbar. Die "Richtige" und all die anderen, deren Begleiter sich wohl nur mal eben ein Bier holen wollten, weiß Autokino-Mann Holl.

 
 50 Jahre Autokino - Foto: Kilimann
 50 Jahre Autokino - Foto: Kilimann
 50 Jahre Autokino - Foto: Kilimann
 50 Jahre Autokino - Foto: Kilimann

Text: | Fotos: Kilimann


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