Wo bei anderen Oldtimer-Rallyes Champagner geschlürft wird, trinken die Teilnehmer der Creme 21 Capri Sonne. Während sich sonst die Herren-Fahrer die feinen Lederhandschuhe über die Hände streifen, laufen bei der Creme 21 manche Teilnehmer mit neonpinken Nerd-Sonnenbrillen herum. Andere verteilen Ahoi-Brause an das Starterfeld und freuen sich, dass die Seat-Begleitmannschaft authentisch ist: "Boah, das sind ja echte Spanier". Die Creme 21 ist eine Youngtimer-Rallye, die anders sein will und ist. Sie ist skurril, schräg , unkonventionell und schwimmt bewusst gegen den Strom.
Das zeigt sich sich bei den "Sonderprüfungen" genauso wie bei den Autos. Als möglichst genau 421 Gramm mit Modellautos erreicht werden sollen, lässt ein glückliches Ehepaar tief blicken. "Schatz, 421 Gramm. Das sind fast zwei halbe Pfund Kaffee. Da merkt man, dass Du nie Einkaufen gehst", protestiert eine Frau entrüstet und lachend, während sie mit dem - ihrer Meinung nach - viel zu wenig beladenen Körbchen vor dem sichtlich konstatierten Ehemann herumwedelt.
Nicht weit von dieser Szenerie entfernt steht der heimliche Star der Veranstaltung: eine Münch-4 TTS-E 1200 Mammut. Es ist das erste Motorrad mit einer mechanischen Kugelfischer Einspritzung, was die Leistung von 88 auf rund 100 PS erhöhte. Ein 300-Kilogramm-Trumm. Genauso selten, wie sie schwer ist. Nur 479 wurden gekauft. Deswegen ist die Maschine nicht ganz billig - unter 100.000 Euro geht gar nichts.
Während bei vielen jetzt der Finger-Weg-Schutzmechanismus einsetzen würde, ist dies bei der Creme 21 anders: Der Besitzer, Albert Stehle, ein über 1,90 Meter großer Bär von einem Mann mit freundlichen Augen, lässt jeden auf seiner Preziose für ein Bild posieren. "Kein Problem", lächelt er. Dass der Castrop-Rauxeler Sinn für den sublimen Auftritt hat, zeigt die Tatsache, dass seine bessere Hälfte mit einem knallroten NSU-Prinz an der Ausfahrt teilnimmt. Das Auto hat den gleichen Motor verbaut wie das Motorrad.
Erlaubt ist vieles, doch es gibt auch Einschränkungen
Während die motorisierten Zweiräder zum ersten Mal an der Creme 21 teilnehmen, gehören Youngtimer aller Art seit dem Beginn vor zehn Jahren zur Rallye, wie eine Predigt zu einer Messe. Dabei ist es sogar erwünscht, anders zu sein. Beim Start auf der legendären Rennstrecke in Spa-Francorchamps steht ein Jaguar XJS V12 aus der Schweiz neben einem roten 5er BMW E12, der zu einem Feuerwehrmobil umgebaut wurde. Ein Highlight ist auch der Seat Ronda Crono, der zum ersten Mal an einer deutschen Rallye teilnimmt. Von dem spanischen Kompaktwagen wurden nur rund 800 Modelle gebaut. Ein paar Meter weiter leuchtet ein VW-Bus des Typs 147 Fridolin quietschorange.
Erlaubt ist vieles, doch es gibt auch Einschränkungen: Die Autos müssen aus dem Zeitraum zwischen 1970 und 1990 stammen. Aber wenn die Klassiker diesen Zeitkorridor nur knapp verpassen, drücken die Veranstalter schon mal ein Auge zu. So dürfen ein 1968er VW Käfer oder 91er Mercedes-Benz W126 natürlich teilnehmen. Vogelwilde Tuning Maßnahmen sind allerdings verpönt. Das betrifft das BMW-Doppel aus dem 635 CSI und dem spektakulären 2002 Turbo nicht - beide donnern auf der Creme 21 im originalen Bestzustand, dass sie die Sammler nur die Finger lecken.
Doch nur weil die Besitzer jünger und unkonventioneller sind, sind sie nicht weniger stolz auf ihre mobilen Schätze. Auf der Fahrt von Belgien zum Opel Testscenter in Dudenhofen findet man so einige Klassiker des Autobaus. Hans Jürgen-Watzinger ist mit einem 71er Buick Riviera aus dem österreichischen Ried im Innkreis zur Ausfahrt gekommen. Der Österreicher hat den Ami-Schlitten vor zwei Jahren aus Phoenix, Arizona, importiert und in 18monatiger Kleinarbeit mühevoll zusammen mit seinem Nachbarn wieder aufgebaut. Der grüne Lederbezug der Sitze stammt aus Bosnien-Herzigowina und der Rest sind Ersatzteile aus den USA. So mussten die Bodenbleche neu geschweißt werden.
Damit war es bei dem rotweißen Citroën 2CV von Arndt Kießling und seiner Frau Ulrike nicht getan. Bei der Ente war der Rahmen gebrochen und musste wiederhergestellt werden. Doch die Geschichte dahinter ist noch viel spannender. Der französische Klassiker aus dem Jahr 1987 war das erste Auto des 45jährigen Frankenthalers. Als er beruflich viel pendeln musste, hatte er das Sondermodell "Dolly" 1997 verkauft. "Ich habe dem Auto immer eine Träne nachgeweiht", erzählt er.
Doch manchmal spielt das Schicksal Glücksengel, diesmal in Gestalt der eigenen Frau. Ein Bekannter hatte das Auto auf einem Schrottplatz ganz in der Nähe von Kießlings Wohnort entdeckt. Sogar sein Tabakdose mit Ersatzsicherungen war noch vorhanden. "Dann habe ich die Ente heimlich gekauft und ihm zum Geburtstag einfach den Schlüssel auf den Tisch gelegt", erzählt Ulrike Kießling. So fand zusammen, was zusammengehört.
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