Mit Elektroautos allein kann man die Autowelt nicht mehr beeindrucken. Mit utopischen Studien schon gar nicht. Der VW-Konzern mit seinen elf Marken präsentierte sich am Vorabend des diesjährigen Genfer Salons von seiner nachhaltigen Seite. Die Reporter in der zum Bersten gefüllten "Halle Espace Sécheron" wurden minutenlang mit Werbefilmen über VWs Umweltengagement in Südamerika oder die Solaranlage im spanischen Seat-Werk Martorell bombardiert.
Konzernchef Martin Winterkorn verkündete immerhin konkrete Ziele. Bis 2015 will er den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der europäischen Neuwagenflotte im Vergleich zu 2006 um 30% drücken. Das sagt freilich nichts über die Ziele in Nordamerika oder China aus, wo sparsame Diesel oder Hybride ein Schattendasein fristen. Trotzdem verspricht Winterkorn den "grundlegenden ökologischen Umbau" seines elf Marken umfassenden Weltkonzerns und will vor allem dafür in den kommenden vier Jahren 62,4 Milliarden Euro investieren.
Die Autos zur Erfüllung seiner Ziele hat der Konzern schon in der Schublade. So rollte auf dem Konzernabend das bereits bekannte VW Cross-Coupé mit einem verbesserten Hybridsystem auf die Bühne. Die Verbindung eines Dieselmotor mit zwei Elektromaschinen soll den Durchschnittsverbrauch des Plug-In-Hybriden auf 1,8 Liter pro 100 km drücken. Auch die dritte Generation des Audi A3 könnte mit einem von VW geborgten Erdgasmotor und mit einer Plug-In-Variante (ab 2014) neue Dimensionen der Sparsamkeit erreichen.
Audis schicke und mit reichlich neuer Technik bis hin zum WLAN-Hotspot ausstaffierte Golf-Alternative zu Preisen ab 21.600 Euro ist gleichzeitig eins der wenigen halbwegs bezahlbaren Autos, die VW in seiner Show präsentierte. Dazu zählen auch der viertürige Skoda Citigo und der neue Seat Toledo. Das kleine spanische Stufenheck steht noch als Studie in Genf, entspricht aber weitgehend dem Serienmodell.
Naked Car mit 700 PS
Für den Rest des Abends ging es vorwiegend rasant, teuer und ausgesprochen exklusiv zu. Nur ein einziges Mal baut Lamborghini den Aventador J (Jota). Der 700 PS starke Extrem-Roadster mit reichlich Karbon an Bord erinnert Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann an eine Zeit, in der "es weniger Regeln als heute gab und die Autos noch nackter waren". 2,1 Millionen Euro hat der radikale Aventador gekostet.
Noch mehr Pferdestärken kann der Bugatti Grand Sport Vitesse vorweisen. 1200 PS, 1500 Nm Drehmoment und über 410 km/h Spitze katapultieren den Wagen in andere Sphären. "Der Beifahrer sagt erst ab 300 km/h, dass es etwas lauter wird", informierte Bugatti-Chef Wolfgang Dürheimer die potenziell besorgte Kundschaft.
Alles andere als öko präsentiert sich auch der Bentley EXP 9 F. Die extrem bullige Studie eines Ultraluxus-SUV hat einen Zwölfzylindermotor unter der Haube. Die Kundschaft soll ihr grünes Gewissen immerhin wahlweise mit einem Plug-In-Hybridantrieb beruhigen können. Im Interieur des 4+1-Sitzers wartet eine Wohlfühl-Welt mit reichlich Holz, Leder und Aluminium. Optional gibt es eine Büro-Ausstattung inklusive drahtlosem Internetzugang.
Klassisch und ohne Overkill
Ganz klassisch und ohne Leistungs-Overkill kommt der Porsche Boxster daher. 10 Mehr-PS im Vergleich zum Vorgänger müssen genügen, gleichzeitig wurden der Verbrauch und das Fahrzeuggewicht gesenkt. Sieben Minuten und 58 Sekunden benötigt der Boxster laut Porsche für die Runde auf der Nürburgring-Nordschleife. Von 0 auf 100 km/h rennt Porsches neue Einstiegsdroge in 5,7 Sekunden, der Boxster S sogar in nur fünf Sekunden - so flink wie ein 911 Carrera 4. Das elektrische Verdeck macht den Wagen zudem in neun Sekunden zum Freiluft-Renner.
An der frischen Luft hält sich wohl auch die Zielgruppe des VW Amarok Canyon auf. Der mit Freestyle-Kajak auf der Ladefläche und Suchscheinwerfern auf dem Dach ausgerüstete Pick-Up soll den US-Trend nach Deutschland holen, sich einen Pick-Up als Freizeitauto zu halten. Mazda und Ford gehen mit ihren neuen Lasteseln einen ganz ähnlichen Weg. Bislang ist der Canyon nur eine Studie. Bei seinem Namen könnten sich TV-Fans an eine Folge der Zeichentrickserie "Die Simpsons" erinnert fühlen: Dort nimmt der bullige Geländewagen "Canyonero" den SUV-Trend auf die Schippe.
Das vielleicht schönste Auto, das Volkswagen auf seinem Konzernabend zeigte, war die Giugiaro-Studie Brivido. Der viersitzige Flügeltürer hat Kameras und Monitore statt Außenspiegeln, elegante Touchscreen-Felder ersetzen herkömmliche Bedienelemente. Unter der keilförmigen Karosse steckt Antriebstechnik aus dem VW-Konzern, doch ein Serienmodell dürfte aus dem Brivido kaum werden.
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