Reportage: 50 Jahre Eastnor Castle

Eastnor Castle - das hört sich an wie ein Spukschloss aus der britischen Geschichte. Oder wie der düstere Schauplatz in einem Edgar-Wallace-Film. Doch nichts von alledem. Eastnor Castle hat sich in der Allradszene seit 50 Jahren einen Namen wie Donnerhall erworben. Denn was den Jeep-Modellen in den USA der legendäre Rubicon Trail ist den Land-Rover-Modellen Eastnor Castle in den britischen Midlands.

Das riesige Gelände mit einer Fläche von 2.500 Hektar gilt als das wohl schwierigste Offroad-Gelände in Europa. Die tiefen Schlammdurchfahrten wollen kein Ende nehmen, die Auf- und Abfahrten dort gehören zu den steilsten überhaupt. Und viele der knapp 80 Kilometer langen Offroad-Routen sind kaum breiter als die Fahrzeuge, die hier getestet werden.

Rund um Eastnor Castle verdienten sich seit 1961 alle Modelle von Land Rover ihre Meriten. Stets unter den kritischen Augen von James Hervey-Bathurst. Der typisch britisch gekleidete Schlossherr mit dem lichter werdenden Haar ist seit Jahren der Inhaber von Eastnor Castle, begeisterter Jäger und – was für eine Überraschung - Offroad-Fan. Natürlich fährt er selbst mehrere Land- und Range Rover.

Auf dem Gelände von Eastnor Castle sind unter der Woche auch ohne das gerne einmal 30 bis 40 Fahrzeuge des britischen Herstellers unterwegs. Für Land Rover ist das Areal - rund eine Stunde südlich von Birmingham - zum wichtigsten Testgelände geworden. Bevor ein neuer Land Rover auf die Straße kommt, muss er sich als Prototyp monatelang über die die marternden Teststrecken kämpfen, an mannshohen Steinen vorbeikraxeln, Wasserdurchfahrten bezwingen und über Geröll kraxeln – bei jedem Wind und Wetter.

Begonnen hatte das Abenteuer 1961 durch einen Zufall. Der Mitarbeiter eines Zulieferers von Land Rover war vom Vater Bathursts zur Jagd nach Eastnor Castle eingeladen worden. Und er merkte schnell: Die Natur rund um das typisch britische Schloss aus dem 19. Jahrhundert bot beste Möglichkeiten, Allradmodelle unter härtesten Bedingungen zu testen - ohne nach Süd- oder Nordamerika, in den Urwald oder nach Skandinavien zu müssen.

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Land Rover Defender 90 [3:29]
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Nach dem Jagdwochenende kam der Entwickler begeistert mit den beiden Land-Rover-Ingenieuren Geoff Miller und Bill Morris zurück, um das Gelände zu präsentieren. Der Rest ist Geschichte. Die Entwickler kamen fortan immer öfter mit neuen Modellen.

Insbesondere bei der Entwicklung des ersten Range Rover kamen sie 1966/67 regelmäßig aus dem nur eine Stunde entfernten Stammwerk Solihull in die Midlands, um Wettbewerber unter die Lupe zu nehmen. "Wir waren hier mit Ford Bronco, Toyota Land Cruiser und ein paar Jeep-Modellen, um zu sehen, was die so drauf haben", erzählt Roger Crathorne, der Mitte der 60er Jahre zu Mister Land Rover wurde: "So ein Areal wie hier war und ist einfach einzigartig."

Schrotkugeln aufs Autodach

Für die Land-Rover-Ingenieure ist Eastnor Castle zum Urmeter einer Offroad-Teststrecke geworden. Klar: Nach wie vor gibt es Wintertests in Skandinavien oder Russland, die Hitzepackung in Nevada oder im Urwald von Südamerika. Doch die meisten Tests finden im Süden von Birmingham statt. "Wenn sich ein Wagen hier durchsetzen kann, dann kommt er überall auf der Welt durch", sagt Roger Crathorne. Bereits seit knapp zwei Jahren beweist sich auch schon die kommende Range-Rover-Generation in einem abgelegenen Teil des Geländes. Auch sie wird wieder ein Teil Eastnor Castle in sich tragen.

Neben dem legendären Gearbox Hill, an dem sich alle neuen Getriebevarianten und Anfahrtshilfen beweisen müssen, gibt es weitere Streckenabschnitte auf dem Areal, die den Namen von Range-Rover-Projektleiter Spen King oder der Königin von Holland tragen. Die Briten lieben es eben traditionell.

Auch heute noch haben in Eastnor Castle nicht allein die Geländewagen das Sagen. Im Schloss von James Hervey-Bathurst finden regelmäßig Veranstaltungen wie Hochzeiten und Jubiläen statt. Auch Land-Rover-Clubs und das Fahrertraining der Land Rover Experience haben hier eine Heimat gefunden. In Eastnor Castle leben außerdem 130.000 Fasane, dazu unzählige Hirsche, Füchse und Rehe. Auf den 2.500 Hektar wird denn auch regelmäßig gejagt. "Da prasseln des öfteren die Schrotkugeln aufs Autodach", grummelt Fahrinstruktor Kevin, der sich in dem unüberschaubaren Dickicht auskennt wie in seiner Westentasche: "Ist gerade erst gestern wieder passiert."

Stand: 11.12.2011	Artikel bookmarken
Text: Stefan Grundhoff	Auf Artikel linken
Fotos: Hersteller
Ort: Eeastnor Castle