Der ehrwürdige Earl of March, britischer Großgrundbesitzer und Kämpfer für den bürgerlichen Motorsport, hat anscheinend beste Verbindungen zu den Fußball-Göttern. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich die englische Nationalmannschaft pünktlich im Achtelfinale der WM verabschiedete? Ein Sieg der Briten hätte der Todesstoß für das legendäre Festival of Speed in Goodwood sein können. Dann wäre es zu einem Viertelfinale England gegen Argentinien gekommen - der samstägliche Höhepunkt des Festivals hätte wohl keine Chance gegen gegen das britische Public Viewing gehabt. Doch Deutschland siegte - und so konnten die britischen Motorsportfans ihre ganze Aufmerksamkeit dem Hill Climb schenken.
Lord March und seine Liebe zum Motorsport – nicht nur die Briten im Süden des Landes mögen ihn dafür. Wenn er nach Goodwood lädt und die Welt der historischen Sportwagen einmal mehr wieder aufleben lässt, gibt es für viele Autofans kein Halten mehr. Die meisten der bis zu 100.000 Zuschauer kommen aus England. Doch auch aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden pilgern Tausende nach Südengland und genießen Rennsport wie in der guten alten Zeit. Damals, als Hybride und regenerative Bremssysteme allenfalls noch Zukunftsspinnereien waren. Selbst Rennsportlegenden wie Sir Stirling Moss und Jacky Ickx oder aktuelle Formel-Fahrer wie Nico Rosberg oder Jensen Button lassen sich gerne anstecken.
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Die Aufgabe, die ihnen Lord March stellt, ist alles andere als anspruchsvoll: Mit einem entsprechend motorisierten Rennwagen soll der Hill Climb in Bestzeit bezwungen werden. Zehntausende von Zuschauern drängen sich an die kaum abgesicherte Strecke auf dem riesigen Grundstück des Earl.
Die Zuschauer kommen ganz nah an ihre Stars heran, dürfen Benzin schnuppern, Reifenabrieb riechen und ein Picknick dort machen, wo sonst auf sorgsam gehegtem Rasen geputtet und abgeschlagen wird.
Nico auf dem Hügel
"Es ist immer wieder etwas ganz besonders hierher zu kommen", strahlt Formel-1-Pilot Nico Rosberg, nachdem er die kurze Bergstrecke in einem aktuellen Mercedes-Renner in einer Bestzeit von 41 Sekunden bezwungen hat. "Am liebsten wäre ich mit einem alten Rennwagen gefahren. Aber beim nächsten Mal wieder."
Selbst die ansonsten unnahbaren Formel-1-Granden schicken Fahrer, Autos und Teams zum Schaulaufen nach Goodwood. Der Termin ist im internationalen Eventplan gesetzt - ganz egal ob der seichte Hügel in einem 40 PS starken Mercedes Simplex oder einem 700 PS starken Formel-Bolide aus den 80ern erklommen wird. Den meisten ist die Bestzeit schnuppe. Man zeigt sich, lässt ordentlich Gummi auf der Piste und das Heck über die kaum vorhandenen Randsteine schwänzeln.
Auf dem kleinen Rundkurs im Wald zeigen Rallyelegenden wie Rauno Aaltonen, dass der Blick nach vorn auch durch die Seitenscheibe verlockend sein kann. Derweil tummeln sich im Fahrerlager tausende von Fans und bewundern die Boliden aus längst vergangener Zeit.
Die Stimmung in Goodwood ist einzigartig – wenn das Wetter wie in diesem Jahr stimmt. Das Festival of Speed zelebriert automobile Höhepunkte wie "100 Jahre Alfa Romeo" oder den 60. Jahrestag, als Giusieppe Farina die erste Formel-1- Weltmeisterschaft feiern konnte.
Längst hat sich das Festival of Speed auch zu einem Marktplatz der Autohersteller entwickelt. Wer in der Automobilbranche etwas auf sich hält, der kommt im Juli nach Goodwood. Die Markentempel sind so groß, dass es sich auch um eine idyllische Version der IAA handeln könnte. Hersteller wie Mercedes, Alpina, Jaguar oder McLaren zeigen mittlerweile sogar neue Autos wie den überarbeiteten Mercedes CL oder den Jaguar XKR Speed.
Besser als jedes Museum
Einen breiteren Überblick über die automobile Rennszene als in Goodwood lässt sich weltweit sonst kaum bekommen. Mika Häkkinen steuert einen brüllenden 1955er Mercedes W 196 den Hügel hinauf. "Langsam fahren kann der alte Renner nicht. Der braucht hohes Tempo. Einfach ist es daher nicht, ihn hier den Berg hinaufzufahren." In Goodwood sind Rennwagen zu bestaunen, die man sonst das ganze Jahr über nicht einmal im Museum sehen kann.
Im Süden Englands fahren sie drei Tage lang. Sierra RS 500 Cosworth, BMW M3 DTM, Alfa 158, das Batmobile BMW 3.0 CSL kreischen, brüllen und donnern unter Johlen und Applaus der Zuschauer die zweieinhalbfache Rechtskurve am Schloss des Earlebenso hinauf wie Porsche 904, das aktuelle BMW Artcar oder der Lotus-F1 von 1978.
Da die Automessen von London und Birmingham seit Jahre dahin siechen, versucht Lord March mit der "Moving Motorshow" eine Publikumsmesse der anderen Art zu scahffen - nach dem Vorbild des GM- Motorama aus den 50er Jahren. Gerade noch Picknick und Sonnenbrand auf dem Rasen, danach zum Autostaunen in die weißen Messe-Pavillons. Dort stehen die Neuheiten von Mercedes, Toyota, BMW, Audi, oder Porsche.
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