Die miese Stimmung der letzten Autoshows ist vergessen – zumindest fast. Wo könnte die Automobilwelt einen Neustart besser wagen, als am frühlingshaften Genfer See? Anfang März kann das Wetter hier mit Kälte, Schnee, Regen und Wind auch gruselig sein - aber die Stadt der Uhren und Privatbanken zeigt sich in diesem Jahr von ihrer besten Seite: 14 Grad und strahlende Sonne.
Der Untergang des automobilen Abendlandes scheint für viele gerade noch einmal abgewendet. Da begeistern schmucke Kleinwagen wie der Nissan Micra oder ein Aston Martin Cygnet ebenso wie familiäre Hoffnungsträger in Form von VW Sharan, Opel Meriva oder Mazda5. Sportskanonen aus dem Hause Porsche oder Ferrari zeigen, dass sich grandiose Fahrleistungen und angemessene Verbräuche nicht ausschließen müssen und selbst die SUV werden wieder aus dem Hintergrund der Stände hervorgeholt.
Schließlich haben Modelle wie VW Touareg, Porsche Cayenne oder der überarbeitete BMW X5 gut abgespeckt. Hybridmodelle und sparsame Diesel gibt es hier sowieso. Träumen ist bei den zahlreichen Kleinserienherstellern von Männerspielzeug sowieso erlaubt – man ist schließlich auf dem Genfer Salon und nicht auf einer der "Handwerkermessen" in Detroit, Frankfurt oder Tokio.
Selbst die tot geglaubten Limousinen erleben am Lac Leman eine Renaissance. Der neue 5er BMW ist bereits als Serienmodell ein großer Wurf. Auf dem Autosalon zeigen die dynamischen Münchner mit einer Hybridstudie, dass sich das elektrische Gedankengut auch in den Entwicklungsabteilungen längst festgesetzt hat.
Formel Grün
Konkurrent Mercedes-Benz macht kein Geheimnis mehr daraus, dass die E-Klasse zum Jahreswechsel als E 300 Bluetec Hybrid mit einem Diesel-Hybrid auf den Markt kommen wird. Der Verbrauch: 4,1 Liter. "Wir fahren nicht nur in der Formel 1 um den Sieg, sondern auch in der Formel Grün mit Premium-Automobilen, die Verantwortung für die Umwelt und die Faszination von Mercedes-Benz vereinen", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche selbstbewußt.
Noch eine Nummer größer ist der Audi A8 Hybrid. Der steht ebenfalls zumindest als Studie auf dem Salon und läutet bei Audi eine neue Ära ein. Während die Hauptkonkurrenten BMW 7er und Mercedes S-Klasse auf große Triebwerke setzen, ist der A8 Hybrid mit einem Vierzylinder-Turbo unterwegs – und mit einem Elektromodul.
Endlich als Serienmodell zu sehen: der lang erwartete Volvo S60. Wem das nicht reichen sollte: Noch sehenswerter ist der Ausblick durch realitätsnahe Studien wie den kommenden Peugeot 508 oder den Mercedes F 800 Style. So sieht die automobile Oberklasse in ein paar Jahren aus – einmal französisch und einmal deutsch. Und wenn Seat die Studie des Ibe tatsächlich in die Tat umsetzen darf, dürfte es selbst ein VW Polo schwer haben.
Bei Laune halten
Doch der Automobilsalon versteht sich bei der 80. Auflage auch im schnöden Tagesgeschäft. Mit dem Toyota Auris HSD kommt die Hybridtechnik endlich auch in ein Kompaktklassemodell, das nicht derart polarisiert wie der Prius. Weniger als vier Liter Verbrauch auf 100 Kilometer bei 138 PS - das macht Lust aufs Sparen.
Ford setzt in der gleichen Liga nicht nur auf die effizienten Ecoboost-Triebwerke, sondern insbesondere auch auf den neuen Ford Focus, der in Genf als Kombiversion Turnier seine Weltpremiere feiert. Jetzt heißt es, die Kunden bei Laune zu halten. Denn der neue Focus kommt erst Anfang 2011. Ebenfalls neu: das Skoda-Doppel Fabia Scout/Fabia RS und der schmucke Golf-Konkurrent Alfa Giulietta als Nachfolger Alfa 147.
Einen erbitterten Kampf liefern sich Audi und BMW/Mini. Während Audi seinen A1 als Serienversion zeigt und eine 102 PS starke Elektroversion namens A1 e-tron an den Horizont malt, lässt es Mini größer angehen. Der Countryman ist die mittlerweile vierte Modellvariante im Mini-Modellprogramm. Wer es polarisierender mag: Wie wäre es mit dem Nissan Juke?
Offene Träume
Was wäre ein Frühling am Genfer See, wenn es in den heißen Messehallen nicht auch ein paar hübsche Modells vor hochsommertauglichen Cabriolets zu sehen gäbe. Die Publikumswertung im OpenAir-Bereich geht - wenig überraschend - an das neuen Maserati GranCabrio, 440 PS stark und 130.000 Euro teuer – ein Traumwagen.
Doch es geht auch günstiger - wie bei Renault, dessen neue Freiluftautos Wind und Megane Cabriolet sich als Serienfahrzeuge durchaus etwas schneidiger hätten präsentieren können.
Leider nicht offen, aber trotzdem eine Wucht: der 450 PS starke Audi RS5 als Jäger von BMW M3 und Mercedes C 63 AMG. Wer es noch wilder mag: Lamborghini speckt seinen Gallardo LP 570-4 Superleggera ab und macht ihn 70 Kilogramm leichter. Unter dem Strich stehen 20 Prozent weniger Verbrauch: 13,5 Liter bei 570 PS – immerhin. Die Branche ist auf dem rechten Weg.
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