Auf dem Weg von St. Petersburg nach Moskau wurden dem Wagen Nr. 12 Kühe auf der Hauptstraße zum Verhängnis: Zwei deutsche Fahrer mussten scharf abbremsen. Der nachfolgende russische Lkw versuchte noch auszuweichen, bretterte dem Benz aber ins Heck. Glück im Unglück: Alle Fahrer kamen mit dem Schrecken davon. Der Wagen wurde in die Werkstatt der Moskauer Mercedes-Niederlassung gebracht.
In Moskau mussten sich die anderen Autos zunächst durch den anarchistischen Verkehr kämpfen, gegen den jede Rush Hour einer deutschen Großstadt wirkt wie die Kaffeefahrt einer Rentner-Truppe. Dafür entschädigte die großartige russische Metropole mit ihren beeindruckenden Bauten, und selbst die roten Wände des Kremls strahlten im Sonnenlicht wie auf einem Postkartenmotiv. "Ich hätte nie gedacht, einmal direkt vor dem Amtsgebäude von Vladimir Putin zu stehen", staunte ein schwedischer Fahrer. Putin selbst war nicht zu sehen – aber wenn die Einkaufsgelüste der russischen Wirtschaft so weitergehen, dürfte man den Präsidenten demnächst ohnehin öfter in Deutschland sehen.
Gesucht: Saubere Toiletten
Die Temperaturen werden von Tag zu Tag frostiger, die Heizungen der Autos leisten Schwerstarbeit. Während sich auf der Strecke von Moskau nach Jekaterinenburg die westlich geprägte Zivilisation Schritt für Schritt verabschiedet, haben die Tourteilnehmer mit vielen Kleinigkeiten zu kämpfen – etwa der, endlich eine saubere Toilette zu finden. Immer öfter sehen sich die Fahrer auch Polizisten gegenüber, die, dick eingemummelt im Uniform-Pelz, mit der Radarpistole herumfuchteln. Wer Glück hat, kommt mit einer hitzigen Diskussion um das Ticket herum. Wer nicht, muss zahlen – auch dann, wenn die angebliche Geschwindigkeitsübertretung offenbar Pi mal Daumen und mit kräftigem Aufschlag nach oben "berechnet" wurde.
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Auf ihrem Weg folgten die 36 E-Klassen übrigens der transsibirischen Eisenbahn. Die Züge beginnen in Moskau ihre sechstägige Reise in das 9.300 Kilometer entfernte Wladiwostok. Die Route der E-Class-Experience führte auch über die als "Wolga Highway" bekannte M7, die mit einer Autobahn aber nur wenig gemeinsam hat. Die Straße ist eine einzige Ansammlung von Schlaglöchern und wimmelt von LKW-Fahrern, die sich offenbar das Motto "No Risk, no Fun - und niemals bremsen" zugelegt haben. Die Wolga, mit 3.534 Kilometern der längste Fluss Europas, ist ein fester Bestandteil der russischen Seele. "Mütterchen Wolga" wurde in unzähligen Gedichten und Romanen verewigt und in schwermütigen Liedern besungen. Auch Lenin wurde am Strom geboren und zog sich zum Sterben an seine Ufer zurück.
Die Bewohner der meist spärlich besiedelten Gegenden bei frostigen Temperaturen zum Auftauen zu bringen, ist nicht immer einfach. Hobby-Rallyefahrer Harald von Langsdorff hat seine eigene Taktik entwickelt: Mit kleinen Gastgeschenken wie Baseballkappen, Kulis und Schlüsselanhängern brach er bei vielen Zwischenstopps schnell das Eis.
Der Winter ist da
Die bislang gefährlichste Etappe war die Strecke von Kasan nach Perm: Starke Schneefälle und spiegelglatte Pisten verlangten den Piloten der 36 Teams am Steuer ihre gesamte Fahrkunst ab. Auf den rutschigen und unübersichtlichen Pisten hatten die letzten Gruppen das Tagesziel erst nach 13 Stunden glücklich erreicht. Dabei hatten die Benz-Fahrer mit ihren Winterreifen noch Glück – in Russland, wo LKWs schon mal fröhlich 500 Kilometer auf der Karkasse weiterfahren, sind viele Autos mangelhaft bis gar nicht für den Winter ausgerüstet.
Mittlerweile ist die Flotte übrigens wieder komplett - der Wagen Nr. 12 wurde repariert. So erreichten alle wohlbehalten das Etappenziel Yekaterinenburg. Das nächste Ziel heißt Almaty - die ehemalige Hauptstadt Kasachstans, der Heimat von Chaos-Reporter und Kinoheld Borat.
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