Sébastien Ogier mochte es auch dann noch nicht so richtig glauben, als er es schwarz auf weiß in Händen hielt: Er stand schon lange vor Schluss der ersten WRC-Saison von Volkswagen als Fahrer-Weltmeister fest. Sein Copilot Julien Ingrassia war Beifahrer-Weltmeister. Und nur eine Rallye später hatte VW in Spanien auch als Mannschaft genügend Punkte zusammen für den Konstrukteurs-Titel. "Wenn jemand mir zu Anfang der Saison neun Siege und den Weltmeistertitel prophezeit hätte, hätte ich ihn vorsorglich zu unserem Teamarzt geschickt", freute sich Oger: "Eine perfekte Saison.". Und auch der einst von Ford geholte VW-Motorsportdirektor Jost Capito hörte nicht mehr auf zu strahlen: "Niemand hat ernsthaft erwartet, dass mit dem Polo R WRC schon im ersten Jahr drei Titel möglich sind." Kein Wunder: Das hatte noch nie zuvor ein Hersteller in seiner Debütsaison geschafft.
Und noch einen Wettbewerb gewann VW-Pilot Sébastien Ogier: Den des spektakulärsten Sprunges mit seinem Auto. Auf der Facebook-Seite des Automobil-Weltverbandes FIA standen die besten Überflieger der Saison zur Anstimmung durch die Fans. Und auch da lagen Ogier und sein Copilot Ingrassia klar vorne. Die Fans wählten die Luftnummer der beiden über der berüchtigten Kuppe "Mickey's jump" auf Sardinien zum Motorsport-Moment des Jahres.
Dabei hatte im Januar alles schon spektakulär angefangen bei dieser 41. FIA-Rallye-Weltmeisterschaft: Oger war gleich bei der ersten Prüfung der Rallye Monte Carlo schneller als der bisherige Dauer-Weltmeister Sébastien Loeb mit seinem Citroen. Für Loeb sollte die Saison zur Abschiedstournee werden - mit gerade mal vier Starts verabschiedete er sich von seinen Fans. Und das bislang so erfolgsverwöhnte Citroen-Team versank nahezu in der Bedeutungslosigkeit. VW dagegen ist schon im ersten Jahr seines WRC-Engagements die absolut dominierende Mannschaft. Ogier und der zweite VW-Pilot Jari-Matti Latvala gewannen zehn der 13 Rallyes, fast die Hälfte aller 36 möglichen Podestplätze gingen an die Wolfsburger. Das beste Ergebnis fuhren sie dabei in Wales beim Saisonfinale ein: Ogier und Latvala standen oben auf den Treppchen, Andreas Mikkelsen und sein Beifahrer Mikko Markkula holten sich im dritten Werks-Polo Platz fünf.
Nicht nur für VW selbst war es eine erfolgreiche Saison - auch die WRC selbst stieg zu ungeahnter Popularität auf. Einige Prüfungen etwa bei der Rallye Wales waren erstmals komplett ausverkauft. Insgesamt schauten sich 3,5 Millionen Fans die Wertungsprüfungen der 13 Veranstaltungen vor Ort an. Dazu kamen noch einmal allein im deutschsprachigen Fernsehen pro Rallye-Wochenende im Schnitt fünf Millionen Zuschauer - ein Jahr zuvor waren es durchschnittlich gerade mal 50.000. Ähnlich der Erfolg bei Facebook: Allein auf der WRC-Seite von VW klickten eine Million Fans während der Saison den "Like it"-Button.
Die Zuschauer erlebten viele spektakuläre Szenen. Schon bei der Rallye Monte Carlo hatten viele Piloten wegen der starken Schneefälle und vereisten Fahrbahnen Mühe, ihren Fahrzeuge auf der Strecke zu halten. Zwei Sonderprüfungen mussten wegen des schlechten Wetters und zu vieler Zuschauer abgesagt werden. Das Pech verteilte sich während der Saison so ziemlich gleichmäßig über die Teams und Fahrer. Sébastien Loeb etwa rammte in Schweden seinen Citroen in einen Schneehaufen und verspielte so jede Siegeschance. Mads Ostberg im Ford Fiesta RS WRC folgte in Portugal einem falschen Aufschrieb und fand sich neben der Straße. Bei der Akropolis Rallye durfte er schon nach gerade mal 500 Metern an seinem Ford ein Rad wechseln. Mikko Hirvonen wiederum landete seinen Citroen nach einem Fahrfehler auf Sardinien im Straßengraben. Schlimmer noch traf es Citroen-Pilot Kris Meeke in Australien: Er überschlug sich mehrfach und musste die Rallye aufgeben. Ähnlich erging es Loeb bei seiner Abschieds-Rallye in Frankreich: Am letzten Tag überschlug er sich und schied aus. Bis dahin hatte er in seiner Karriere insgesamt 900 Wertungsprüfungen gewonnen.
Mit dem Abschied von Sébastien Loeb vom Rallye-Sport begann in der Saison 2013 der tiefe Fall von Citroen. Die zuvor so erfolgsverwöhnten Franzosen schafften nicht einmal ihr erklärtes Ziel, wenigstens die Herstellerwertung zu gewinnen. Dabei hatten sie sich zuvor von 2003 bis 2012 acht Mal den Team- und neun Mal den Fahrertitel gesichert. 2013 aber ging gar nichts mehr: Volkswagen hängte Citroen mit 145 Punkten Vorsprung gnadenlos ab. Die 315 PS starken Polos holten sich bei den Wertungsprüfungen 150 Mal die Bestzeit. Citroen schaffte gerade mal 44 Bestzeiten - davon gingen allein 21 auf das Konto von Loeb, der nur vier der dreizehn Rallyes überhaupt mitfuhr.
Leider gab es im Umfeld der Rallye-WM auch wieder Tote zu beklagen. Im Oldtimer-Rahmenprogramm der Deutschland-Rallye in Trier starben zwei Niederländer in ihrem Triumph TR7. Sie waren mit dem Auto auf der "Panzerplatte" nach einem Sprunghügel, bei dem die Wagen rund 40 Meter weit fliegen, von der Fahrbahn abgekommen und erlagen noch an der Unfallstelle ihren schweren Verletzungen.
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