Volkswagen und Suzuki sind gerade im Scheidungs-Clinch, da bahnt sich die nächste deutsch-japanische Beziehungskiste an. BMW und Toyota wollen eine langfristige Kooperation eingehen, um gemeinsam alternative Antriebe der nächsten Generation zu entwickeln. Das gaben die beiden Hersteller auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Tokio bekannt.
"Wir müssen die europäischen Autokunden besser verstehen und haben große Erwartungen in Europa", hatte Toyota-Chef Akio Toyoda bereits einen Tag zuvor am Rande der Tokio Motor Show verkündet. Und gleich danach eine Absage an den Kampf um die Weltspitze erteilt: "Um die Nummer eins zu sein, sind nicht nur Produktionszahlen ausschlaggebend. Toyota soll nicht der größte Autobauer sein, sondern ein großartiger." Das klang wie eine Kapitulationsansage nach Wolfsburg.
Auch Toyotas Vize-Präsident und Entwicklungschef Takeshi Uchiyamada klang fast kleinlaut, als er einräumte, man sei "nicht auf allen Gebieten technisch führend". Zudem verstehen sich die Bayern seit Jahrzehnten in verschiedenen Klassen auf hoch emotionale Autos. Eine Charaktereigenschaft, die Toyota insbesondere in Europa fehlt.
Doch während VW einen Absatzrekord nach dem anderen feiert, denken die Japaner wie immer in langfristigen Dimensionen. Durch die Kooperation mit BMW ergeben sich für beide Partner verlockende Perspektiven. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit stehen neue Lithium-Ionen-Batterien. Auch auf weiteren Feldern schließen die Partner gemeinsame Entwicklungen nicht aus.
Toyota hat seit der ersten Generation des Prius 1997 rund 3,4 Millionen Hybridautos weltweit verkauft, BMW zieht sich also den hochkarätigsten Partner in diesem Bereich an Land. Die Japaner wiederum wollen ihre Defizite im Diesel-Bereich ausgleichen, um mehr Autos in Europa zu verkaufen. Toyota bekommt von BMW zunächst Aggregate mit 1,6 und 2,0 Litern Hubraum; das heißt aus der Leistungsklasse von 100 bis 240 PS.
Baukastensystem
"Die Motorenlieferung beginnt 2014, wir konzentrieren uns dabei auf lokal produzierte Fahrzeuge", so Toyotas Europa-Chef Didier Leroy auf der Pressekonferenz. In welchen Modellen die Selbstzünder zum Einsatz kommen, verriet er nicht. In Frage kommen die in Europa gebauten Fahrzeuge, vor allem Avensis und Auris – bei letzterem steht ohnehin 2013 ein Modellwechsel an.
Der Golf-Konkurrent Auris hat zurzeit einen 1,4-Liter Dieselmotor mit 90 PS sowie zwei größere Dieselmotoren mit 126 bis 177 PS an Bord. Da ist auch beim SUV-Erfolgsmodell Toyota RAV4 Schluss. Der kleine Toyota Yaris, der ebenfalls in Europa gebaut wird, dürfte für die neue Generation von BMW-Dieseln ebenfalls in Frage kommen. Die Selbstzünder werden bei BMW künftig in einem Baukastensystem produziert, um Kosten zu sparen. Für kleine Fahrzeuge sieht BMW in Zukunft Front- bzw. Allradantrieb und quer eingebaute Motoren vor.
Profitieren dürften von der Kooperation insbesondere auch die größeren Fahrzeuge aus dem Hause Toyota und Lexus. Dort hatte es immer wieder Diskussionen gegeben, ob die Entwicklung von leistungsstarken Dieseltriebwerken für die Japaner überhaupt lohne. Mit entsprechendem Aufwand war zum Beispiel aus zwei Reihen-Vierzylindern des Avensis ein leistungsstarker V8-Diesel für den Land Cruiser entwickelt worden. Das dürfte der Vergangenheit angehören, wenn Toyota sich künftig bei den ausgezeichneten Sechszylinder-Dieseltriebwerken der Bayern bedienen kann.
Auch eine Implementierung der großen Diesel in die Modelle der Lexus-Baureihe erscheint nicht mehr völlig ausgeschlossen. Lexus kommt trotz einer großen Kapitalaufwandes in Europa seit 20 Jahren nicht auf die Beine. Ein Grund sind fehlende Dieselaggregate bei SUV, Geländewagen und den großen Limousinen. Dort könnten die dynamischen Bayern ebenfalls Abhilfe schaffen.
Aus alten Fehlern gelernt
Im Gegenzug müsste BMW die Hybridmodule nicht selbst oder nur mit einem Zulieferer wie Bosch oder Continental entwickeln. Die bisherigen Hybridmodelle der 7er Baureihe und des X6 stehen wie Blei in den Verkaufsräumen. Die Ertragschancen sind bei den neuen Modellen 3er und 5er Hybrid kaum besser. Auf der anderen Seite muss BMW seine PS-starken Modelle zeitnah mit Plug-In-Modulen ausstatten, um die strengen Abgas-Grenzwerte von bis zu 95 Gramm CO2 in den nächsten Jahren zu schaffen. Da kommt Toyota mit der Hybrid- und Produktionskompetenz gerade Recht.
Nach der katastrophalen Übernahme von Rover Ende der 90er Jahre hat BMW aus alten Fehlern gelernt und setzt seit geraumer Zeit auf intensiv vorbereitete Kooperationen. Die Münchner arbeiten bereits mit Peugeot und Citroën (PSA-Konzern) in der Hybridtechnologie zusammen. "Diese Kooperation bezieht sich auf bestehende Batterietechnik", unterstreicht BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Draeger in Tokio.
Daraus lässt sich spekulieren, dass die Münchner Hybrid- und Elektroautos der nächsten Generation eher mit Hilfe der Japaner entwickeln werden und nicht mit den Franzosen. Ein Dieselhybrid, wie er bei PSA bereits eingesetzt wird, ist bei BMW und Toyota nicht zu erwarten. "Dafür gibt es jetzt noch keine speziellen Pläne", sagt Toyota-Vize Uchiyamada. Im Nutzfahrzeugbereich bauen die Japaner allerdings durchaus auf den Dieselhybrid, er kommt bei Toyotas LKW-Sparte Hino zum Einsatz.
Nach der gescheiterten Zusammenarbeit zwischen VW und Suzuki wird die Autowelt nun die Beziehung zwischen BMW und Toyota gespannt verfolgen. Man pflege zu japanischen Zulieferunternehmen bereits einen jahrzehntelangen engen Kontakt, sagt BMW-Entwicklungsvorstand Draeger. "Wir wollen Benchmarks setzen im Bereich Hybride und Elektroautos. Nur wer die besten Batterien hat, wird die Kunden gewinnen." BMW und Toyota seien damit perfekte Partner. "BMW hat im Bereich der sauberen Dieseltechnologie die größeren Stärken", sekundiert Toyota-Vize Uchiyamada: "Wir haben die gleiche Philosophie, die Chemie stimmt."