Audi-Designschef Wolfgang Egger bringt es auf den Punkt: "Es muss ein Wechsel hin zu differenzierteren Autos stattfinden." Die kritische Selbstreflexion des obersten Formengebers der Ingolstädter kommt nicht von ungefähr. Seit der Einführung des Singleframe-Grills durch Walter de Silva hat sich das Design der Marke mit den vier Ringen nur in Details weiterentwickelt.
Bei Front- und Heckleuchten suchte man in Ingolstadt lange nach einer eigenen Identität. Abgeflachte Ecken des Kühlergrills und Kanten, die sich durch die Türgriffe entlang der Flanke des Autos ziehen, wurden als Design-Fortschritt zelebriert und mit mehr oder weniger gelungenen Namen bezeichnet. Im Falle der konturierten Linie ließen sich die Audi-Marketing-Strategen zu "Tornado-Linie" hinreißen.
Ein frischer Wind soll jetzt für einen neuen Kreativ-Schub sorgen. Deswegen hat Egger in einem Schwabinger Hinterhof ein Atelier ins Leben gerufen. Wichtig ist die entspannte weniger hektische Atmosphäre. Fernab von der prozessgetriebenen Zentrale in Ingolstadt arbeiten 40 Designer an dem Audi-Aussehen der Zukunft. Allerdings in ganz klaren Grenzen. "Wir ordnen uns der DNA der Marke unter", sagt der Design-Chef. Das Atelier der Glückseligen ist der Vorläufer der großen Variante, die in Ingolstadt 2016 eröffnet werden soll.
Wichtig sind die kurzen Wege und das Zusammenspiel der verschiedenen Designdisziplinen. Interieur-Designer sprechen mit den Kollegen des Exterieurs und auch Mitarbeiter, die nicht an dem gerade diskutierten Objekt mitarbeiten, sind eingeladen bei den Gesprächen in der Teeküche oder während des Mittagessens einzusteigen. Diese fruchtbare Atmosphäre soll für den erhofften Quanten-Sprung in der Formensprache sorgen.
Schreibtisch für Stadler
Neben Autos reifen hier auch die Ideen für Möbelstücke, Carbon-Skier oder exklusives Ledergepäck, das zusammen mit der italienischen Edel-Koffer-Manufaktur Schedoni produziert wird. So vielschichtig wie die Design-Einflüsse und die Mitarbeiter sind auch die Gerätschaften. Nach wie vor wird viel mit Papier und Bleistift gearbeitet. Dazu kommen moderne CAD-Computer-Programmme, die die Entwürfe in die digitale Welt hinübertransportieren. An einer großen Monitorwand werden dann die Ergebnisse in Originalgröße diskutiert. In nur wenigen Augenblicken kann da eine Änderung im Design visualisiert werden. Dabei wird auch die bewusste Provokation verwendet. Zu jedem Entwurf soll es einen Gegenvorschlag geben, um die Debatte zu befeuern.
Ein erstes Resultat der neuen Designrichtung konnte man auf dem Pariser Autosalon bewundern. Die Studie Crosslane-Coupé hat einen betont dreidimensionalen Single-Frame-Kühlergrill, der jetzt auch Teil der Fahrzeug-Struktur ist. Diese Front ist der Vorbote für das Aussehen der kommenden Q-Modelle. Die Limousinen sollen eine andere Optik bekommen. Klar ist dabei nur eines: Die größeren Autos sollen sich mehr von kleineren differenzieren.
Einer kann sich schon mal über ein Designstück aus dem Münchner Atelier freuen. Audi-Chef Rupert Stadler bekommt einen Carbon-Schreibtisch, der in Schwabing entworfen wurde.
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