Es gibt Menschen, denen scheint unternehmerischer Spürsinn und genialer Erfindergeist gleichermaßen in die Wiege gelegt zu sein. Sakichi Toyoda war einer davon. Der 1867 geborene Sohn eines Zimmermanns steht am Anfang der gigantischen Erfolgsstory von Toyota, dem derzeit größten Autobauer der Welt.
Um Automobile drehte sich das Interesse des jungen Mannes zunächst noch nicht. Vielmehr waren es Webstühle, denen Toyodas so manche Verbesserung angedeihen ließ. Offenbar unter dem Eindruck der harten körperlichen Arbeit, die Mutter und Großmutter in der Spinnerei verrichten mussten, stattete der begabte Techniker das hölzerne Webgerät mit Kraftmaschinen aus.
Gemeinsam mit Sohn Kiichirô, den er in Tokio Maschinenbau studieren ließ, präsentiert Sakichi Toyoda 1924 einen automatischen Webstuhl und meldet ein Patent dafür an. Kurz darauf sieht der findige Japaner in dem anbrechenden Automobilzeitalter eine neue, noch größere Herausforderung. Er schickt den Sohn nach Großbritannien, um im Land von Tweed und Manchestercord das Webmaschinenpatent zu verkaufen. Mit dem Startkapital will man in die Automobilproduktion einsteigen.
1935 stellt Kiichirô Toyoda seinen ersten Prototypen vor. Vater Sakichi erlebt das allerdings nicht mehr. Als Geste der Ehrerbietung fährt der Sohn mit einem nach buddhistischem Ritual geweihten Prototypen ans väterliche Grab. 1936 geht das erste Serienfahrzeug der jungen Autoschmiede an den Start – der Toyota AA. Toyota wird auch das Unternehmen genannt – um den Firmennamen vom Familiennamen abzugrenzen.
Corolla als Anfang
Toyota baut zunächst PKW und LKW für den heimischen Markt. Mit der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre kommt die große Chance, auch auf andere Kontinenten Terrain für die Nippon-Modelle zu gewinnen. Selbst die Amerikaner verlangen in jenen Jahren nach kleineren und vor allem weniger durstigen Fahrzeugen – die Japaner haben sie im Portfolio.
Ab 1970 baut der Importeur auch in Deutschland ein Händlernetz auf. Als erstes Modell schickt er den Corolla 1211 Coupé ins Rennen um die bundesdeutsche Kundschaft. Kurz darauf wird Mittelklassevertreterin Carina nachgereicht. Von beiden Modellen werden im ersten Verkaufsjahr deutschlandweit exakt 883 Stück zugelassen. Die Autos aus Japan machen vor allem mit einer für damalige Zeiten üppigen Serienausstattung auf sich aufmerksam.
In den folgenden Jahrzehnten legt der Autobauer eine Bilderbuchkarriere aufs internationale Parkett. Die USA werden zum wichtigsten Markt. Ein Toyotawerk nach dem anderen eröffnet auf dem nordamerikanischen Kontinent die Pforten. Heute laufen Toyota-Modelle an sieben Standorten in den USA von den Montagebändern. Weltweit wird in über 60 Toyota-Werken in 27 Ländern produziert.
Abgeräumt
Spektakuläres Design ist nicht gerade Stärke der japanischen Nummer eins. Toyota punktet vielmehr mit einer breiten Produktpalette, mit Zuverlässigkeit und Qualität zu erschwinglichen Preisen. Studien zur Kundenzufriedenheit bescheinigen dem Autobauer jahrelang die Spitzenposition. Immer wieder können sich die Japaner zudem mit dem renommierten Branchenpreis "Engine of the Year" für das fortschrittlichste Antriebskonzept schmücken. In den vergangenen Jahren räumte vor allem das Hybridmodell Prius etliche Preise ab und brachte dem Herstller nicht nur beachtliche Verkaufserfolge sondern das Image des Öko-Musterknaben unter den Autobauern ein.
Das Jahr 2008 markiert einen weiteren Meilenstein in der Unternehmensgeschichte. Erstmals konnte Toyota mit knapp neun Millionen verkauften Fahrzeugen General Motors überflügeln, Nach über 70 Jahren stürzten die Japaner den US-Konzern im Ranking der weltgrößten Automobilproduzenten vom Spitzenplatz.
Ihren globalen Verkaufsrekord hatten die Japaner zwar schon im Jahr zuvor eingefahren - mit mehr als 9,3 Millionen verkauften Fahrzeugen. Damals allerdings hatte GM noch einen hauchdünnen Vorsprung erzielt und 3106 Autos mehr verkauft als der Konkurrent. Doch dann brachen die Absatzzahlen der Amerikaner viel stärker ein als die des Mitbewerbers und Toyota schwang sich auf den Thron.
Wie dicht Gipfel und Abgrund beieinander liegen, mussten die erfolgsverwöhnten Japaner allerdings bei der Auswertung ihrer Bilanzen im Weltwirtschaftskrisenjahr 2008/2009 zur Kenntnis nehmen. Erstmals in der Firmengeschichte beendeten sie ein Geschäftsjahr mit einem operativen Verlust: Umgerechnet 1,2 Milliarden Euro betrug das Minus.
Der Alptraum beginnt
Welche Kräfte der Abwärtsstrudel noch entfalten würde, konnte damals - bei der Bekanntgabe des Verlustergebnisses vor zwölf Monaten - sicherlich niemand ahnen.
Der Albtraum für die Führungsriege um Konzernchef Katsuaki Watanabe begann im Januar 2010: Weltweit musste das Unternehmen rund 8,5 Millionen Autos wegen sicherheitsrelevanter Mängel in die Werkstätten bestellen. Betroffen sind verschiedene Modelreihen – darunter Erfolgsmodell Yaris, Neuling iQ und Geländegänger RAV4. Hauptproblem ist ein klemmendes Gaspedal, das in den USA durch unkontrollierbare Beschleunigungen bereits mehr als 200 Unfälle mit 34 Todesopfern verursacht haben soll. Nur wenige Tage nach Bekanntgabe der Klemmproblematik musste auch der neue Prius wegen seines kritischen Bremsverhaltens zurückgepfiffen werden.
Die Pannen- und Rückrufserie könnte den Konzern mit Kosten in Höhe von vielen Milliarden Euro belasten, schätzen Experten. Der Austausch der Mängel-Bauteile wird dabei vermutlich ein vergleichsweise kleiner Posten bleiben. Weit größer dürfte die Kostenlawine sein, die durch die Klagewelle in den USA ins Rollen kommen könnte - von bis zu 24 Milliarden Dollar ist mittlerweile die Rede.
Wie groß der Imageschaden ist, muss sich erst noch zeigen. Nach Ansicht des Automobilexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Dusiburg könnte es drei Jahre und länger dauern, bis sich die Marke von der Pannenkatastrophe erholt. Toyota-Chef Wakanabe hat sich inzwischen mit einer tiefen Verbeugung bei den Kunden entschuldigt. Aber noch ist sein Alptraum nicht vorüber.
|