Ein spärlich bekleideter Frauenpo räkelt sich lasziv auf dem Sattel eines Motorrollers. Nur mit einem weißen Slip und einem rosafarbenen Helm bekleidet, wirbt eine junge Dame für das Vespa-Sondermodell der italienischen Dessous-Firma Roberta. Das Gesicht der halbnackten Schönen sieht man nicht, aber Markus Weinstock vom Auto- und Technikmuseum Sinsheim weiß Bescheid: "Für diese Anzeige hat man in den späten 80er Jahren Michelle Hunziker als Model engagiert."
Nur 333-mal soll die rosafarbene "Roberta"-Vespa gebaut worden sein. Der Roller ist eines von mehr als 40 Exponaten, die noch bis November in einer Sonderausstellung des Museums zu sehen sind.
Nicht nur wegen solcher Werbekampagnen gilt die Vespa bis heute als einer der attraktivsten Motorroller aller Zeiten. 1946 stellte der italienische Ingenieur Corradino d’Ascanio das Urmodell vor. Es hieß zunächst noch "Paperino" (Entchen) und war 60 km/h schnell. Die Firma Piaggio hatte den Auftrag erteilt, dabei war Corradino d’Ascanio, eigentlich Flugzeugkonstrukteur, von Motorrollern nicht gerade begeistert. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb entwarf er ein höchst elegantes Fahrzeug. Der Motor wurde komplett mit Blechteilen verkleidet, statt des störungsfälligen Kettenantriebs wählte d’Ascanio den Direktantrieb. Ein weiterer Vorteil dieser Konstruktion: Die Vespa-Piloten mussten sich nicht ständig an der Kette die Finger schmutzig machen.
Ein gebläsegekühlter Einzylindermotor mit 98 Kubik und 3,2 PS sorgte für den Vortrieb. Als Auftraggeber Enrico Piaggio den fertigen Entwurf mit seinen bauchigen Blechteilen und dem darin platzierten Fahrersitz sah, soll er gesagt haben: "Das sieht ja aus wie eine Wespe!" So war der Name des Rollers geboren. Bei den ersten Modellen saß der Scheinwerfer noch auf dem vorderen Kotflügel. Vespa-Fans nennen das "faro basso", italienisch für "Lampe unten". Erst in den 50er Jahren wurden die Scheinwerfer im Lenker montiert, was dem Design der Vespa eine zusätzliche Portion Eleganz verlieh.
Kultobjekt
Was als günstiges aber ansprechend gestaltetes Fortbewegungsmittel für die Massen begann, entwickelte sich nach und nach zum Kultobjekt. Schon 1950 wurden die ersten Vespas für den deutschen Markt in Lizenz gefertigt. In ganz Europa entstanden neue Fabriken für den schicken Roller, die Modellpalette wurde stetig ausgebaut. So entstand zum Beispiel die Vespa 125 mit immerhin fünf Pferdestärken unter dem schicken Blechkleidchen, gut genug für 75 km/h.
1957 wagten die Italiener sogar ein kurzes Experiment mit vier Rädern: Die Vespa 400 war ein Kleinstauto im Stil des Goggomobil und hatte einen winzigen Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 20 PS. Das Wägelchen blieb ein paar Jahre im Programm, wurde aber längst nicht so erfolgreich wie Piaggios "Ape"-Dreiräder.
Eine Vespa 400, eine Ape und ein dreirädriges offenes "Calessino"-Taxi parken ebenfalls in der Sinsheimer Ausstellung. "Alle Exponate sind Leihgaben deutscher Vespa-Fans", sagt Museums-Sprecher Markus Weinstock. Die Ausstellung liefert deshalb nicht nur einen Querschnitt durch die gesamte Modellgeschichte der Vespa, sondern auch viele Unikate. Ein Fan etwa hat seiner Vespa einen handgefertigten Beiwagen spendiert und einen Military-Look mit Tarnanstrich verpasst. Als Teilespender dienten der Sattel eines Lanz Bulldog Traktors, das Trittbrett einer Harley-Davidson und ein Rasenmäher.
Eine fürs Leben
Das Militärgespann ist ein kreatives Einzelstück, allerdings wurde die Vespa auch im echten Leben an die Front geschickt: Ab 1952 erhielt die französische Armee Spezialversionen des Motorrollers mit 150 Kubik-Motor zu Testzwecken für den militärischen Einsatz. Die Armee-Wespe konnte sogar eine Kanone befördern.
Ein besonders skurriler Exot ist die vom deutschen Ingenieur Wolfgang Trautwein konstruierte Doppelfront-Vespa. Die Duofront hat hinten eins und vorn zwei Räder und neigt sich in der Kurve dank eines Parallelogramm-Hebelmechanismus‘ zur Seite wie ein schnelles Motorrad. Das Konzept konnte sich allerdings zunächst nicht durchsetzen.
Eine rege Sammlerszene sorgt dafür, dass solche und andere Exoten der Vespa-Welt erhalten bleiben. Die Liebe der Fans zu ihren Kult-Rollern ist meist eine fürs Leben. So hat im Jahr 1960 ein damals 20-jähriger Hamburger eine Vespa gekauft und 50 Jahre lang gefahren. "Er hat damit mehr als 130.000 Kilometer zurückgelegt und an über 80 Treffen in ganz Europa teilgenommen", erzählt Markus Weinstock vom Museum Sinsheim. Dutzende Club-Aufkleber auf der dunkelblauen Vespa GS3 Grand Sport zeugen vom bewegten Leben des Rollers.
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