Natürlich fährt der BMW 7er längst auf Augenhöhe und ist in einigen Bereichen sogar bereits vorbeigezogen. Natürlich gibt es den beeindruckenden neuen Audi A8 und die zahlreichen Konkurrenten wie Lexus LS, Cadillac CT6, Jaguar XJ oder Maserati Quattroporte. Sie alle sind spektakuläre Luxuslimousinen, die Staatsoberhäupter, Stars, Sternchen und Wirtschaftsgrößen chauffieren - sei es am Lenkrad vorne oder entspannter im Fond. Doch so gut wie anderen auch sind und sein mögen - sie sind eben einfach keine S-Klasse. Wer sie fährt, spricht nicht von einem Mercedes, sondern belässt es zumeist bei "S-Klasse". Oder er macht seine Aussage zumindest mit der Motorvariante etwas inhaltsreicher. Kein Wunder, dass Modelle wie 560 SEL (W 126), 600er (W 140) oder ein Sechsneuner (W 109) bis heute nicht nur in Klassikgemeinden Legendenstatus haben.
Die offizielle Geschichte der Mercedes S-Klasse begann 1972. Den auch wenn es vorher bereits Luxusmodelle aus dem Hause Daimler gab - sie hießen eben nicht S-Klasse. Die Ponton-Baureihe W 180, die verklärt hoch gelobte Heckflosse des W 111 oder der spektakuläre Mercedes 300 SEL 6.3 vom Typ W 109, der als "rote Sau" in Spa zur AMG-Legende wurde - alles fraglos beeindruckende Luxusschiffe aus Sindelfinger Produktion, aber eben doch keine S-Klassen. Mit ihr ging es erst Anfang der 70er Jahre los. Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaft hatten Deutschland noch nicht in die erste Reihe der Weltöffentlichkeit gespült, da tat dies mit aller Vehemenz die erste Mercedes S-Klasse. Das "S" stand für Sonderklasse und er setzte als elegant-imposanter W 116 Ausrufezeichen.
Die legendär gewordene Baureihe 116 verzückte lange ohne echte Konkurrenz die oberen Zehntausend zwischen Cannes und Los Angeles, Tokio und München - zu Preisen ab 23.500 Mark. Die fast fünf Meter lange, elegant gestreckte Orgie in Lack und Chrom ist bis heute die wohl schönste S-Klasse. Das breite Angebot von Triebwerken - schlicht spektakulär. Ging es mit dem 185 PS starken 280 S/280 SE als Handschalter oder Automatik schon dynamisch los, so brachten 350er und 450 das Herz der Limousinenfans zum Rasen. Unübertroffenes Luxusmodell war der Mercedes 450 SEL 6.9, eine fahrdynamische Weiterentwicklung von 600er (W 100) und 300 SEL 6.3 (W 109). Motor und Automatikgetriebe des Über-116ers hatten das Leistungspotential eines Sportwagens. Technisch war der 6.9 eine S-Klasse für sich. Statt der üblichen 4,5 Liter Hubraum des 450 SEL hat der Achtzylinder Brennkammern mit einem Gesamtvolumen von 6,9 Litern - 210 kW/286 PS und 560 Nm maximales Drehmoment. Die Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h.
Trotz opulenter Preise ließ man sich nahezu jede Schraube extra bezahlen und die potente Kundschaft machte es gern
Als edelste Limousine der Welt, wie Mercedes den SEL damals gerne selbst bezeichnete, gab es eine Luxusausstattung vom allerfeinsten. Nicht der übertriebene Pomp der amerikanischen Sänften, sondern eine Mischung aus hölzerner Dekadenz gepaart mit Stuttgarter Bodenständigkeit. Auch beim 6.9 wusste man nur zu gut, aus welchem Stall er kam. Und dass der 450 SEL 6.9 sage und schreibe das Doppelte eines 350 SE kostete, schien die Kundschaft kaum zu stören. Serienmäßig gab es damals neben dem opulenten Platzangebot und der konkurrenzlosen Sicherheitsausstattung Zentralverriegelung, Klimaanlage, elektrische Fensterheber, Scheinwerfer-Waschanlage und die obligatorischen Ohrenkopfstützen.
Das alles bot auch die erste S-Klasse mit Dieselmotor. Der müde 300 SD wurde jedoch nur für die USA - und dort insbesondere für den kalifornischen Markt - produziert. Als 350er und 450er hielt er - zumeist als Langversion und oftmals schwer gepanzert - Einzug bei vielen Regierungen dieser Welt.
Derart viel Pomp und Eleganz hatte der Nachfolger der Baureihe 126 nicht zu bieten. Und doch gilt die zweite Generation für viele Fans als die S-Klasse schlechthin. Von 1979 bis 1991 waren 280 S bis 560 SEL das Maß der Dinge. Elegant, luxuriös und grandios verarbeitet schwören viele auch im Hause des Herstellers bis heute auf diese "wahre S-Klasse". Ein Auto ohne Schwächen, mit allen Extras zu bekommen. Airbags, elektrische und beheizte Sitze vorne und hinten, Klimaautomatik, Autotelefon, Reiserechner und vieles mehr ließen die damaligen Aufpreislisten zu Telefonbuchstärke anschwellen. Serienmäßig gab es nicht viel mehr als Hausmannskost. Trotz opulenter Preise ließ man sich nahezu jede Schraube extra bezahlen und die potente Kundschaft machte es gern, genoss die müden Sechs- und die kraftvollen Achtzylinder. Das Beste vom Besten hieß Mercedes 560 SEL - 300 PS stark, fast 250 km/h schnell und mit seiner Viergangautomatik in Sachen Komfort damalst nicht zu toppen.
Anfang der 90er Jahre wurde die elegante Baureihe W 126 von einem wahren Koloss abgelöst. Mächtige Dimensionen und ein kantig-protziges Erscheinungsbild passten 1992 beim W 140 in die Zeit - sorgten jedoch zumindest im Heimatland auch für negative Schlagzeilen. Bis die elektronische Einparkhilfe das Zeug zur Serienreife hatte, halfen am Heck ausfahrbare Peilstäbe, das kantige Schlachtschiff in Parklücken zu pressen. Auf Deutschlands Promi-Insel Sylt schlugen die Wellen hoch, als die neue S-Klasse nicht per Bahntransport über den Hindenburgdamm gebracht werden konnte - die Autowaggons waren schlicht zu schmal.
Angesichts eines Leergewichts von rund zwei Tonnen machten 150 bis 170 PS die Selbstzünder-S-Klasse zur Premium-Wanderdüne
Doch aller Unkenrufen zum Trotz setzte die S-Klasse der 90er Jahre völlig neue Maßstäbe. Platzangebot, Verarbeitung, Ausstattung und Pomp kannten keine Grenzen. Hightech-Extras wie Xenonlicht, Navigationssystem oder beschlagfreie Doppelglasscheiben hielten Einzug und die Staatsmänner verliebten sich wieder einmal in die Topmodelle 500 SEL und 600 SEL. Endlich im Programm: der imageträchtige Zwölfzylinder, mit dem BMW im 750 iL den Vorgänger W 126 über Nacht düpiert hatte. Seine 408 PS waren konkurrenzlos.
"Der W 140 war seinerzeit das Sinnbild für größtmöglichen Komfort", erinnert sich Frank Knothe, ehemals für die Entwicklung verantwortlich, "alle Ingenieure bei Daimler haben sich wirklich in die Eisen gelegt, um dem Auto das Maximum am Fahrkomfort zu bringen. Dazu gehörten zum Beispiel auch Doppelscheiben oder eine Fahrschemel-Achse. Alles war vom Besten und vom Feinsten." Erstmals war der als S 300 TD bzw. S 350 TD auch in Europa mit Dieselmotor zu ordern. Die Schwäche der Motoren führte jedoch nicht in die Herzen der kaufkräftigen Kundschaft. Angesichts eines Leergewichts von rund zwei Tonnen machten 150 bis 170 PS die Selbstzünder-S-Klasse zur Premium-Wanderdüne für Sparfüchse.
Nach dem heiß diskutierten W 140 wurde es unspektakulär. Der 1998 vorgestellte Nachfolger W 220 wurde in den verschiedensten Varianten zwischen S 320 CDI und S 600 L angeboten. "Der 220er hat mit seiner Ausstattung nicht nur beim Thema Komfort, sondern besonders auch bei der Sicherheit Maßstäbe gesetzt", erinnert sich S-Klasse-Entwickler Karl-Heinz Baumann, "zum Beispiel mit dem reversiblen Gurtstraffer." So imposant der W 140 war, so stimmte der W 220 optisch leisere Töne an. Aufgrund der Kritik am vehementen Vorgänger orientierte man sich etwas zu stark am schmächtigen C-Klasse-Modell. Und auch bei der Qualität haperte es etwas.
Die Gegenwart präsentiert sich mit der neuen S-Klasse wieder standesgemäßer. Die jüngeren Generationen vom Typ W 221 (ab 2005) und W 222 (aktuelles Modell) vereinen nach wie vor Eleganz, Luxus und Hightech in sich.
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